Ich bin ein junger Erwachsener, der sich glücklich schätzen kann. Besonders in Zeiten wie dieser Woche, tue ich genau das was ich gerne tue und was ich meiner Meinung nach am besten kann. Der Umgang mit Medien hat sich spielerisch zu meinem Spezialgebiet entwickelt. Ich habe Menschen gehabt, die meine ersten Schritte beim Gestalten, Filmen, Schreiben und Schauspielern begleitet haben. Meine Eltern haben diese Rolle zum Beispiel von Anfang an eingenommen: Rückmeldung geben, Kritik und Ansporn. Das hat es mir leicht gemacht, weil ich nicht kämpfen und suchen musste, um Menschen zu finden, die dazu bereit waren. Auf diese Weise habe ich Beschäftigungen gefunden, die mich erfüllen, mir sinnvoll vorkommen, die mittlerweile Nachfrage erzeugen und durch die ich mich entfalten und meinen Horizont immer wieder erweitern kann.
All das erwähne ich hier, weil ich in dem Film „Toto and his Sisters“ von Alexander Nanau, junge Menschen gesehen habe, denen all das fehlt. Nicht etwa nur die Unterstützung ihrer Eltern, sondern ihre Eltern selbst. Der Vater von Toto und seinen beiden Schwestern Andreea und Ana ist irgendwo im Ausland, sie wissen nicht einmal wo. Ihre Mutter ist für sieben Jahre im Gefängnis und deren Bruder soll auf die drei jungen Rumänen aufpassen. Der aber hat genug zu tun mit sich selbst, mit seinen Kumpels und Kunden, mit Heroin und Prostituierten. All das übrigens oft in der Wohnung, in der die drei Kinder leben. Er macht nicht einmal Halt davor, der 17-jährigen Ana Heroin zu spritzen.
Ich finde es schwer, mich in die Lage der drei zu versetzen. Ich denke Perspektivlosigkeit und Verzweiflung wären große Themen für mich. Aber es gibt mehr über diese jungen Menschen zu erfahren. Der vielleicht neunjährig Toto und die ungefähr fünfzehn Jahre alte Andreea besuchen ein Jugendhaus, wo sie nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, sondern zunehmend in ein tagesfüllendes Programm eingebunden sind. Dort unterscheiden sie sich auch nicht mehr allzu sehr von Kindern, die in Deutschland in der Schule sitzen. Die Schwierigkeiten, auf die sie beim Lernen stoßen, sind die gleichen wie bei uns.
Andreea entscheidet, mit Toto in ein Waisenhaus zu ziehen, um der Situation zu Hause zu entgehen. Außerdem besuchen die beiden einen Tanzkurs, in dem Toto immer wieder auffällt, weil er schwer zu disziplinieren ist und das Gegenteil von allen anderen tut. Nicht aus Überforderung mit den Bewegungen oder dem Rhythmus, sondern weil er sie spielerisch erforscht. Er kämmt die Vorgaben gegen den Strich und übertrifft schon bald alle anderen im Kurs.
Die Geschichte der drei Geschwister jagt mir Schauer über den Rücken. Warme und kalte, weil ich nicht sicher bin, ob ich an ihrer Stelle in der Lage gewesen wäre, die Herausforderungen zu meistern und weil es so schmerzhaft ist, zu sehen, wie sie Rückschläge erfahren. Ich erlebe ein emotionales Wechselbad, während ich Zeuge werde, wie kindliche Naivität all das überlebt und den Schlüssel zur Hoffnung darstellt und wie verhängsvoll sie zugleich sein kann. Mehrmals kehrt Andreea in die Wohnung der Mutter zurück, um ihre Schwester zum Ausziehen zu bewegen. Die wirft den vor Hoffnungslosigkeit fliehenden Geschwistern vor, dass sie Verrat an der Familie begehen. Dabei kommt es zu einer herzzerreißenden Szene, von der ich nach dem Film erfahre, dass Andreea sie selbst dokumentiert hat.
Die Bilder, die sie aufgenommen hat, sind so stark, dass ich hinter ihnen die Arbeit eines professionellen Kameramann vermutet habe. Eine von vielen Überraschungen, die diese jungen Menschen auf Lager haben. Ziemlich beeindruckt und auch ratlos verlasse ich das Kino. Ich habe kein Fazit zum Film, ich denke auch nicht, dass er eines anbietet. Empfehlen kann ich ihn sehr!