In ihrem Langfilmdebüt „May God Be With You“ begibt sich Cléo Cohen auf eine persönliche Spurensuche nach ihrer eigenen Identität und deren Wurzeln. Sie konfrontiert ihre Großeltern mit direkten Fragen und scheut nicht davor zurück auch zu widersprechen. Dennoch ist es keine kalte inhaltliche Diskussion, sondern ein intimes Portrait der Generationen in ihrer eigenen Umgebung.
Man sieht ihrer einen Oma beim Nähen, ihrer anderen beim im Schrank kramen zu. Die Filmaufnahmen wirken wie ein authentisches Portrait, in dem nicht der Kamera die größte Präsenz zukommt, sondern der neugierigen Enkelin. So ist das hartnäckige Fragen keineswegs eine Strategie um die Großeltern aus der Komfortzone zu bringen, sondern ergibt sich vielmehr aus der emotionalen Betroffenheit der Filmemacherin.
Es ist eben nicht egal, wie ihre Urgroßeltern hießen, wo sie wohnten, welche Sprache sie sprachen, wann sie geheiratet haben. Es ist nicht egal, wie die französische Kolonialmacht den Konflikt zwischen Juden und Arabern befeuert und instrumentalisiert hat. Es ist nicht egal, ob sich das Weggehen aus Algerien bzw. Tunesien ihre Großeltern ins Exil oder in eine neue Heimat führte.
Cléo Cohen gelingt es dabei, ihre eigene Emotionalität und ihren eigenen Findungsprozess mit in den Film einzubeziehen und so nicht nur Brücken zu ihrer eigenen Gegenwart, sondern auch zu aktuellen politischen Kontroversen zu schlagen. Können Juden Araber sein?
Gleichzeitig räumt Cléo Cohen den Lebenswelten und Ansichten ihrer Großeltern gerade dadurch liebevoll Platz ein, dass sie ihnen widerspricht. Denn genau dadurch zeigt sie ihre Ehrlichkeit und ihren Respekt. Es ist wichtig, ob ihre Vorfahren mit ihrer Lebenserfahrung und als Zeitzeug*innen ihr in ihrer eigenen politischen und kulturellen Positionierung zustimmen oder nicht. Cléo Cohen befragt ihre Großeltern auf zu tiefst einfühlsame Weise und gibt trotzdem ihre eigene Position und ihre Neugierde nicht auf.
Der Film zeigt nicht nur die Auseinandersetzung einer jungen Frau mit ihrer familiären Vergangenheit, sondern auch ihre stetige Neuverortung in Folge dieser. Die Filmemacherin nimmt uns nicht nur mit in das Leben ihrer Großeltern, sondern gibt uns auch Einblicke in ihr eigenes Erleben und Reflektieren über die geführten Gespräche.
Autorin: Cassia