Die Covid-19 Pandemie überraschte uns alle. Während einige von dieser Überraschung jedoch wie gelähmt waren, entschied sich der Filmemacher Nikolaus Geyrhalter dazu, die Krise von Anfang an zu dokumentieren. Das Ergebnis ist “Stillstand” – ein Dokumentarfilm über die ersten drei Corona-Wellen in Österreich.
Technisch gesehen, beeindruckt der Film vor allem durch die bereits von Nikolaus Geyrhalter gewohnten Totalen. Keine Kamerafahrten oder musikalische Untermalungen lenken vom eigentlichen Thema des Filmes ab – Stillstand.
Als die Welt vom Coronavirus eingenommen wurde, waren alle gezwungen, in ihrem sonst gewohnten Alltag innezuhalten. Die Aufnahmen der menschenleeren Flughäfen, Schwimmhallen und Spielplätze zeigen hier noch einmal ausführlich, wie es in dieser Zeit aussah.
Diese beobachtende Art zu dokumentieren nutzt der Regisseur aktiv, um die Zuschauer*innen dazu zu bewegen, die Dinge länger als vielleicht gewollt zu betrachten. Er schafft somit den Raum, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen.
Die sonst so präsente Stille des Films wird zwischendurch mithilfe von interessanten Gesprächen mit unterschiedlichsten Interviewpartner*innen aufgebrochen. Dabei bringen die verschiedenen Sichtweisen auf die Pandemie eine angenehme Abwechslung mit sich.
Nikolaus Geyrhalter schafft es durch seine emotional geladenen Bilder, die Gefühle aus der vergangenen Zeit wieder zurückzubringen und alle Zuschauer*innen thematisch abzuholen.
Wir persönlich empfinden die Dokumentation der Pandemie als notwendig und richtig. Wenn man in der Zukunft auf die Ereignisse zurückblickt, wird dieser Dokumentarfilm beim Erinnern helfen und die Erzählungen unterstreichen. Jedoch können wir uns vorstellen, dass zukünftige Generationen, welche die Corona-Krise nicht selbst erlebt haben, die emotionale und teils traumatisierende Tragweite dieser Zeit weniger gut nachvollziehen können.
Entgegen der angekündigten Emotionalität des Films wird auf die genauere Auseinandersetzung mit den Gefühlen und Gedanken der Betroffenen verzichtet. Im Filmgespräch nach der Weltpremiere am Montag erklärte Geyrhalter, das sei eine bewusste Entscheidung gewesen. Die Darstellung von psychologischen Eindrücken wäre einfach zu komplex. Diese Entscheidung können wir natürlich nachvollziehen, allerdings konnte der Film dadurch unsere Erwartungen nur bedingt erfüllen. Auch die fehlende Stimme der Jugend hat uns enttäuscht.
Innerhalb des Films kommen viele verschiedene Teile unserer Gesellschaft zu Wort. Von den medizinischen Hilfskräften im Krankenhaus bis hin zu Ladenbesitzer*innen und älteren Patient*innen spielen alle Altersgruppen eine wichtige Rolle – außer Jugendliche.
Der Film zeigt zwar einige Einblicke in den Homeschooling-Alltag, eine humorvolle Szene im Park und eine Lehrerin, doch dabei fehlt für uns, die emotionale Tiefe. Dafür, dass im Film wiederholt zur Sprache kommt, wie die Pandemie die jüngere Generation belastet hat, kommen die eigentlich Betroffenen erstaunlich selten zu Wort.
Auch allgemein ist uns die optimistische und zuversichtliche Haltung aller Befragten aufgefallen. Wir persönlich hatten während der Corona-Krise eher gegenteilige Gefühle, weswegen wir uns in Geyrhalters Dokumentarfilm oft nicht wiederfinden konnten.
Hierbei ist uns ein Zitat einer medizinischen Fachkraft besonders im Ohr geblieben: “Nur der Realist ist glücklich, weil er den Fortschritt erkennt”. Wir selbst würden uns als “Realisten” bezeichnen, haben uns aber während der Pandemie häufig eher hilflos als glücklich gefühlt. Wir fanden den durchgängigen Optimismus in den Gesprächen aus “Stillstand” deshalb relativ unpassend.
Zusammenfassend können wir festhalten, dass Nikolaus Geyrhalters “Stillstand” eine gute, wenn auch unvollständige, Dokumentation der Pandemie in Österreich darstellt. Dabei war es interessant, unsere eigenen Erfahrungen aus der Corona-Krise in Deutschland mit der Pandemiesituation in Österreich zu vergleichen. Wir würden den Film allerdings nicht direkt weiterempfehlen, da wir uns oft nicht angesprochen gefühlt haben und daher keinen persönlichen Bezug aufbauen konnten.
von Ida & Nora