Es ist Montagabend, ich laufe in den Petersbogen und fahre die Rolltreppe hoch bis ins CineStar, denn hier wird DOK Leipzig mit dem Film „Tracing Light“ eröffnet. Überall sind Leute, die sich mit ihren kleinen Pappkärtchen am blauen Schlüsselband als DOK-Akkreditierte zu erkennen geben. Nach zwei weiteren kurzen Rolltreppen stehe ich im Barbereich vor dem Kinosaal. Spätestens hier merke ich, dass ich nicht hierher passe, denn um mich herum sind vor allem „Filmmenschen“ – bei Männern gut an runden Brillen und kurzem Bart zu erkennen. Sie begrüßen sich herzlich, denn jeder kennt jeden, man tauscht sich über die jeweils aktuellen und nächsten Projekte aus. Dabei wird selbstverständlich und voll „international“ zwischen Deutsch und Englisch gewechselt. In den Kinosaal kommt man dann nur mit Ticket, auf das handschriftlich die Reihe und der Platz geschrieben ist. Mein Beileid an die Person, die hunderte Tickets beschriften musste.
Um 19:00 Uhr, die offizielle Startzeit der Eröffnung, ist der Saal erst zur Hälfte gefüllt. Eine Viertelstunde später haben sich schließlich alle von der Bar verabschiedet und in den Saal begeben. Über 700 Menschen sehen nun die Moderatorin Julia Weigl und den Festivaldirektor Christoph Terhechte auf die Bühne gehen. Nach der Begrüßung hält Terhechte seine Rede über die Rolle des Mediums Film in der aktuellen Zeit und die Wichtigkeit von Dialogbereitschaft. Wegen der bereits angesprochenen Internationalität wird alles auch auf Englisch wiederholt. Während der Rede wird auf eine zweite Kamera geschaltet, bei der ein Mikrofonständer im Weg steht. Dieser Fehler wird direkt von meiner kommentarfreudigen und kritischen Nachbarin auf der rechten Seite mit Kopfschütteln und einem genervten „mh“ kommentiert, vor allem nachdem dieser Fehler noch zwei weitere Male auftritt.
Eine einzelne Rede ist für eine Eröffnung wahrscheinlich nicht ausreichend, daher führt die Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig Frau Dr. Skadi Jennicke in ihrer Rede die Relevanz von DOK Leipzig aus. Der nächste Programmpunkt ist die erste Preisverleihung des Festivals, durchgeführt von Frau Claudia Maicher. Die Verkündung der Gewinnerin läuft unerwartet unspektakulär ab und wird, in diesem Fall zu Recht, von rechts kommentiert. Der Sächsische Preis für das beste Dokumentarfilmprojekt einer Regisseurin geht an Ana Kvichidze für ihr Projekt „Oh, Heart Don’t Be Afraid“. Die Jurymitglieder dürfen jeweils zwei, drei Sätze zur Begründung sagen. Die Preisträgerin selber ist die nahbarste Person des Abends, da hat nicht einmal meine Nachbarin etwas auszusetzen.
Bevor es mit dem Hauptprogrammpunkt losgeht, wird noch der Kurzfilm „The Diffusion Pilot“ gezeigt, in dem man sieben Minuten lang das Produkt der “Engine”, einer Künstlichen Intelligenz, betrachten kann. Phasenweise laufen die Bilder einfach nur ineinander. Aus den Konturen von Schränken werden die von Türen, aus Wellen werden Wolken. Nun folgt der Eröffnungsfilm “Tracing Light”, der vom Regisseur Thomas Riedelsheimer eingeleitet wird. Dabei spricht er auch über seine Begeisterung, dass Dokumentarfilme auf solch einer großen Leinwand gezeigt werden. 20:30 Uhr – ganze 90 Minuten nach Beginn der Veranstaltung und damit eine Spielfilmlänge später – beginnt endlich der Film, auch zur Freude meiner rechten Nachbarin, die jetzt ihre Kommentarfrequenz merklich senkt. Im Film wird dem Licht auf die Spur gegangen, ohne aber ein Ergebnis am Ende zu finden. Es ist kein Film, wie man ihn im Fernsehen sehen würde, es ist ein künstlerisches Werk. Man darf daher keine spannende Geschichte erwarten, wenngleich immer wieder einzelne Sätze, gerade von Wissenschaftlern, fallen, über die es sich lohnt nachzudenken. Es ist sehr spannend zu sehen, dass wir uns Phänomene wie das Licht nicht erklären können.
Nach dem Film geht das Licht wieder an, einige Plätze sind jetzt leer. Es ist also auch für manche Erwachsene zu spät am Abend. Beruhigend. Thomas Riedelsheimer übernimmt nun scheinbar die Moderation und ruft alle an seinem Film Beteiligten auf die Bühne. Es folgen Worte des Danks. Er verabschiedet auch das Publikum und weist auf die anschließende Möglichkeit, etwas trinken zu gehen, hin. Wo diese Aftershow-Party stattfindet, erfahre ich nicht, ich will eh nicht dorthin. Ich bin ja schließlich auch kein Filmmensch. Es war aber trotzdem interessant in eine mir bisher fremde Welt einzutauchen, wenn auch nur für 3 Stunden. Mehr hätte es aber nicht sein dürfen.
Autor: Wendel