Der Geruch von Popcorn. Bunte Lichter. Entferntes Lachen. Fröhliche Musik. Erinnerungen an den Zirkus, an eine altbekannte Faszination. Eine Erinnerung, am Leben erhalten nur durch das alljährliche Zirkusfestival Monte Carlo, übertragen im Fernsehen. Eine Tradition. Gemütlich in die Decke eingerollt Zuhause auf der Couch, weit weg vom großen Zelt, dem Geruch von nassem Heu, den Menschen.
Den Menschen. Menschen mit Liebe zu Artistik, Magie und Clownerie. Menschen, die eine feste Heimat, finanzielle Sicherheit und Privatsphäre aufgeben, aus Liebe zu ihrer Kunst und aus Liebe zu dem Publikum welches in den Rängen staunt, lacht und weint.
Der Film “Joy” taucht in eben diese Welt ein, begleitet den gleichnamigen russischen Wanderzirkus bei seiner Reise und wirft einen Blick hinter den großen Vorhang, abseits von dem was sich in der Manege abspielt. Er zeigt was aus den Menschen wird wenn der Zauber verschwindet, wenn sich die Routine einschleicht, wenn das Zelt Jahr für Jahr leerer wird. Es ist der nüchterne Blick auf den harten Arbeitsalltag des Zirkus, durchzogen und geprägt von allgemeiner Hoffnungs- und Lustlosigkeit.
Im Mittelpunkt stehen die Tierdresseure Alexei und Marina, sowie der Clown Waleri und seine neue Partnerin Yana. Yana hat vorher längere Zeit in Europa gearbeitet und durchbricht mit ihrem Beitritt in den Zirkus für alle den Trott des Alltags. Vor allem für Waleri schafft sie neue Hoffnungen und Perspektiven, sogar über das Berufliche hinaus. Gemeinsam proben sie und bringen neue Freude ins Publikum. Umso erschreckender ist dann aber wie Streitereien, Grausamkeiten und kleine Fehler auch sie wie eine Welle überrollen, geschürt von Tierdompteurin Marinas aggressiver Art. Binnen weniger Monate ist jegliche Motivation, jeglicher Elan verschwunden. Was bleibt sind Uneinigkeiten, Auseinandersetzungen, Verachtung.
Ohne Licht am Ende des Tunnels.
Ein Dokumentarfilm der einen erschreckenden, tiefen Einblick gewährt in eine Branche die auch ohne Corona schon seit vielen Jahren strauchelt. Zunehmende Kritik an der Haltung von Tieren, immer weniger Geld, immer weniger Anerkennung. All das schürt im Wanderzirkus “Joy” Zwietracht statt Zusammenhalt, sehr gelungen dargestellt in Regisseurin Daria Slyusarenkos Debütfilm.
Sebastian, 30.10.20