Wenn von Krieg die Rede ist, erzeugt das Bilder in unseren Köpfen. Bilder von Terror, Blut, Chaos und Tod. Stress, der Dokumentarfilm von Florian Baron, handelt zwar von Krieg – kriegstypische Bilder bleiben jedoch aus.
Stattdessen gleitet die Kamera während der Horrorerzählungen von Veteranen bedächtig über die statische Großstadtarchitektur von Pittsburgh. Vogelperspektiven und Zeitlupen kreieren ein surreales Setting, die Zeit scheint still zu stehen. Genau wie in den Geschichten der Protagonisten, wenn sie aus dem Off über ihre Zeit in Afghanistan berichten.
„Vergessen ist unmöglich“
Jetzt sind die fünf Veteranen nicht mehr im Krieg, aber der Krieg sehr wohl noch in ihnen. Ein unerwarteter Knall und sie schmeißen sich in Todesangst zu Boden und blicken für ein paar Sekunden in die Vergangenheit. In Cafés sitzen sie immer mit dem Rücken zur Wand und beim Einkaufen ist jeder Schritt geplant.
Der Krieg zerstörte sie alle gleich, doch der Umgang ist bei jedem von ihnen anders.
Joe ertränkt sich im Alkohol und lässt sich willentlich zusammenschlagen, James klammert sich an seinen Sohn als Anker in der Realität. Justin hat es nicht gepackt – er nahm sich das Leben.
Stress ist ein Film über die Rückkehr vom Krieg. Die einzigen Erzähler sind Veteranen, die furchtbare Dinge erlebten und vollzogen. Keiner ihrer Feinde sollte lebend davonkommen. Sie wurden vom Krieg zerstört und zurückgelassen. Dennoch vermissen sie ihn. Zuletzt würden sie ihre Kinder sogar der Armee überlassen, um sie daran wachsen zu sehen.
„Verständnis für das Unverständliche“
Für uns ist das unvorstellbar, doch Stress macht es verständlich. Der Film gibt tiefe Einblicke in den Schmerz und den Hass, aber auch die surreale Liebe für den Krieg.
Würden Joe, Mike und die anderen direkt in die Kamera sprechen, würden wir ihre Geschichten vermutlich nicht verstehen können. Menschen mit denen wir auf den ersten Blick nichts gemein haben, erzählen von einer Realität, die sich nicht mit unserer vergleichen lässt.
Selten treten Gesichter in den Fokus der Filmkamera. Die fünf Erzählungen sind an keine Individuen gebunden. Sie werden aus der Erzählperspektive geschildert – und verschmelzen zu einer einzigen Geschichte. Die Stimmen werden dabei zu dem, was wir denken und die Bilder zu dem, was wir sehen.
Auf unkonventionelle Art beleuchtet „Stress“ die absurd menschliche Seite des Krieges und bringt uns eine ferne Realität unangenehm nah. Auf eine Wertung verzichtet der Film jedoch gänzlich.