Von Märchenwäldern und alten, weißen Männern

Alles ist friedlich. Minka taucht in einem klaren See in Finnland. Unter Wasser bewegt sie sich mit einer faszinierenden Leichtigkeit, fast schon schwerelos. Alles ist mit ruhiger Musik unterlegt. Die Szene erscheint wie ein Traum. Sie kann nicht real sein – es ist zu friedlich.

Dann taucht Minka wieder auf. Mir kommt es vor, als würde ich aufwachen. Alles ist jetzt schwerer, sogar das Atmen. Auch auf der Kinoleinwand holt Minka einmal tief Luft. Es regnet.

Diese Szene symbolisiert für mich den gesamten Dokumentarfilm “Once upon a Time in a Forest”. Während Minka sich unter Wasser, fern von der Realität, frei und im Einklang mit der Natur bewegen kann, wird diese “Traum-Ebene” des Films schon bald von einer anderen abgelöst: die “Realitäts-Ebene” der Forstwirtschaft.

Finnland, das waldreichste Land Europas, bildet mit seiner borealen Vegetation zusammen mit Schweden die grüne Lunge unseres Kontinents. Aus rein ökologischer Perspektive erscheint es logisch, diese Wälder zu schützen und somit für eine lang anhaltende Biodiversität zu sorgen. Allerdings war es für mich nicht überraschend zu erfahren, dass genau das Gegenteil passiert: Ungefähr 90 Prozent der finnischen Wälder sind der Forstwirtschaft ausgesetzt und werden unter anderem für die Papierindustrie abgeholzt. Dies stellt ein enormes Risiko für die Erhaltung der Artenvielfalt dar und trägt zusätzlich zum Klimawandel bei.

Kein Wunder also, dass sich die Mitglieder von Umweltorganisationen wie “Greenpeace” oder dem finnischen Ableger von “Extinction Rebellion“ zusammenschließen, um das Abholzen der finnischen Wälder zu verhindern. Die Protagonist*innen des Dokumentarfilms sind Ida, Minka, Otto, Ville und Otso. Zusammen wirken sie als Freundesgruppe so vertraut wie eine Familie, die gemeinsam für die “Rechte” der Wälder kämpft. Der Film begleitet sie zu Gruppensitzungen, Diskussionen mit verschiedenen politischen Verantwortlichen und friedlichen Protesten, die fast immer mit dem Eingreifen der Polizei enden.

Als Zuschauer*in leidet man mit den Aktivist*innen, wenn Minka von unangenehmen Gesprächen mit “alten, weißen Männern” berichtet. Aufgrund des vorherrschenden Mansplaining ist eine Diskussion nahezu unmöglich, da jede Konversation von Konkurrenzverhalten geprägt ist. Doch sobald die gerodeten Bäume wieder auf der Leinwand zu sehen sind und sich die herzzerreißende Hintergrundmusik in mein Gedächtnis einbrennt, ertappe ich mich dabei, meine nächste Reise nach Finnland zu planen, um dort mit den Wald-Aktivist*innen zu protestieren. Allerdings denke ich, dass die Regisseurin Virpi Suutari mit ihrem Film genau das erreichen wollte.

Zunächst werden die finnischen Wälder mit ihren wunderschönen Besonderheiten auf märchenhafte Weise vorgestellt. Hierbei findet man auch den Titel des Dokumentarfilms wieder: „Es war einmal…“ (engl. „Once upon a time…“) als typische Redewendung wird verwendet, um die Magie der Wälder zu beschreiben. Es stellt sich jedoch schnell heraus, dass diese Märchenwelt in Gefahr ist. Und das betrifft nicht nur die finnischen Wälder, sondern ebenfalls die damit verbundene Biodiversität – und somit früher oder später auch uns Menschen.

Das Artensterben, das beispielsweise durch die intensive und rücksichtslose Forstwirtschaft sowie die damit verbundene Waldrodung verursacht wird, hat erhebliche Auswirkungen auf die Funktion und Gesundheit unseres Ökosystems. Wenn dieses zusammenbricht, wird das unvermeidliche Folgen für die Existenzgrundlage (Wasser und Nahrung) der Weltbevölkerung haben. Es ist sehr wichtig, dass alle Menschen sich dessen bewusst sind und diese Informationen erhalten. Deshalb bin ich sehr dankbar für Filme wie “Once upon a Time in a Forest“, die genau diesen Bildungsauftrag verfolgen und somit das nötige Bewusstsein in die Gesellschaft bringen.

Ich hoffe, dass zumindest in Finnland viele Menschen den Dokumentarfilm sehen werden und dadurch begreifen können, wie akut die momentane Situation in ihrem Land ist. Aber natürlich sollten Filme wie dieser auch uns hier in Deutschland daran erinnern, mehr Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten zu übernehmen. Wir müssen aus unserem Traum aufwachen und realisieren, dass sich die Realität bereits vor unseren Augen abspielt – und gemeinsam dafür sorgen, dass unsere jetzige Situation nicht noch schlimmer wird.

 

Text: Ida

Beitragsbild: © DOK Leipzig 2024 / Once upon a time in a forest, Virpi Sutaari

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert