Der Film „Ein Oktopus hat den Mond zerstört“ beginnt mit dem Bild eines idyllischen Gartens im Herzen Berlins. Im weiteren Verlauf lernen wir einige Schüler*innen der integrativen berufsvorbereitenden August-Sander-Schule besser kennen, die in eben diesem Garten, einem Außengelände der Schule in Berlin-Friedrichshain, arbeiten. Sie gärtnern hier, um ihren Schulabschluss zu erreichen. Durch diese freiwillige Arbeit erhalten sie die Möglichkeit, ihren Abschluss zu machen – trotz ihrer geistigen Beeinträchtigungen.
Dank der Aufnahmen der Regisseurin, die mit Kamera und Mikrofon alleine arbeitete, fühlt man sich unmittelbar in den Alltag der Protagonist*innen versetzt. Der Film begleitet diese über verschiedene Jahreszeiten hinweg, was uns die Charaktere besonders nah bringt.
Die Schüler*innen könnten unterschiedlicher nicht sein. So erfährt man, dass einem Jungen eine achtzig-prozentige Behinderung attestiert wurde. Jeder hat individuelle Interessen, Prioritäten und Einschränkungen, was zu einer an die jeweiligen Personen angepassten Bewertung und flexiblen Anwesenheitsregelung führt, die für die Lehrkräfte jedoch auch Herausforderungen und Konflikte mit sich bringt.
Die Lehrer*innen der Klasse NU2 nehmen uns mit in die Entwicklungsgespräche mit den Schülerinnen. In diesen Gesprächen werden Stärken ebenso wie Schwächen thematisiert. Ein wiederkehrendes Problem ist das Zuspätkommen und das unentschuldigte Fernbleiben vom Unterricht – ein Thema, das trotz aller Bemühungen der Lehrkräfte bis zum Ende des Films ungelöst bleibt. Eindrucksvoll ist auch die Klassenstruktur: Es gibt auffällige Personen mit kontroversen Ansichten und einnehmenden Persönlichkeiten. Demgegenüber stehen stille, zurückhaltende Charaktere, die nur in wenigen Szenen zu Wort kommen – dennoch versteht man sie gut.
In der Mitte des Schuljahres dürfen wir die Schüler*innen zu ihren Praktika begleiten. Dabei wird sichtbar, wie unterschiedlich die Zukunft aussehen kann, wenn die Startbedingungen nicht die gleichen sind wie bei anderen. Nach Abschluss ihrer Praktika präsentieren die Schüler*innen diese in der Klasse: Sie haben Plakate gestaltet und mit ihren Erzählungen beeindruckt. Hier zeigt sich erneut, wie individuell die Bewertung an jeden Einzelnen angepasst ist.
Obwohl die Schule am Ostkreuz in Berlin und die dortigen Lehrkräfte sowie Schüler*innen besondere Einblicke gewähren, spiegeln sie doch den Alltag vieler Jugendlicher wider und wirken wie ein Abbild von Gesellschaftsgruppen, über die sonst selten berichtet wird. Der Film verzichtet auf große Wendungen oder Schlüsselmomente. Stattdessen erleben wir die Protagonisten beim Verlieben, Trennen, Freundschaften schließen und Streiten. Auffällig ist jedoch, wie oft Beleidigungen fallen, die von den Lehrkräften ruhig abgefangen werden – die Schüler*innen zeigen sich unbeeindruckt und lassen sich nichts anmerken.
Im anschließenden Nachgespräch hatten wir die Gelegenheit, der Regisseurin und Kamerafrau Fragen zu stellen. Ihre Antworten waren jedoch enttäuschend kurz und wenig engagiert, was schade war, da man erwartet hätte, dass ihr die Kinder und die Schule, die sie so lange begleitet hat, besonders am Herzen liegen.
Insgesamt hat uns der Film gefallen; wir konnten interessante Charaktere dabei beobachten, wie sie sich auf die Berufswelt und ein eigenständiges Leben vorbereiten. Dennoch ermüdet der Film mit der Zeit etwas, da es nur wenige Wendungen gibt. Trotzdem ist es wichtig, über den Kerninhalt des Films Bescheid zu wissen. Ob man sich dieses Wissen durch den Film oder auf anderem Weg aneignet, bleibt jedem selbst überlassen.
Text: Judie & Wanda
Beitragsbild: © DOK Leipzig 2024/ Ein Oktopus hat den Mond zerstört, Heidrun Holzfeind