Der Kurzfilm “Himmel wie Seide. Voller Orangen” nimmt uns in zehn intensiven Minuten mit auf eine besondere Zeitreise: die Geschichte der ersten DDR-Reisegruppe, die nach der Wende das begehrte Ziel “Westen-Westen”, nämlich Mallorca, ansteuern durfte. Wir tauchen ein in die persönliche Erinnerung einer Ostdeutschen, die uns – untermalt von einer originellen Collagentechnik – mit auf die Reise nimmt.
Diese Reiseerlebnisse werden von einer Erzählerin geschildert, deren Stimme so vertraut und nostalgisch wirkt, dass man sie sich gut als eigene Großmutter vorstellen könnte. Ihre persönlichen Erinnerungen verleihen der Geschichte emotionale Tiefe und fangen eine Zeit ein, in der sich die Grenzen öffneten und die Welt für die Ostdeutschen plötzlich größer wurde.
Mallorca, in den 1960ern bereits das beliebteste Urlaubsziel der Westdeutschen, stellte für viele Ostdeutsche eine neue, fast märchenhafte Realität dar. Jahrzehntelang durften sie nur innerhalb des eigenen Landes und der Grenzen des Eisernen Vorhangs reisen. Mittelmeer, Palmen und exotische Früchte kannten die meisten nur aus dem Westfernsehen, aber dort selber hinreisen zu dürfen, war ein wahrgewordener Traum.
Ein zentrales Symbol, das den gesamten Film durchzieht, sind die Orangen – Früchte, die einst für die Ostdeutschen eine Rarität waren und für die Freude und den Luxus standen, den sie auf Mallorca erlebten. So transportieren die Orangen auf subtile Art und Weise die Unterschiede zwischen den beiden deutschen Kulturen, wie die Selbstverständlichkeit gewisser Dinge.
Visuell überzeugt der Film durch eine originelle und verspielte Collagentechnik, die farbenfrohe Postkarten aus der DDR mit Prospekten von Mallorca kombiniert. Diese ungewöhnliche, aber sehr treffende Inszenierung vermittelt eine nostalgische Atmosphäre und gibt der Geschichte eine besondere Ästhetik. Das Sounddesign unterstützt diese Stimmung perfekt: Die lockere, spanische Musik versetzt die Zuschauer in ein sonniges Urlaubsgefühl und lässt die Freude und Sorglosigkeit der Urlauber aufleben.
Der Film “Himmel wie Seide. Voller Orangen” schafft es, ein Stück prägende deutsche Geschichte auf originelle Art und Weise einzufangen und erzählt neben der ersten Reise nach Mallorca auch gleichzeitig von den kulturellen Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschen, die uns teilweise noch heute begleiten. Auch wenn wir erst nach der Wende im Osten geboren wurden, konnten wir gut die Ungleichheit zwischen Ost und West nachvollziehen und darüber schmunzeln.
Text: Wendel und Oskar
Beitragsbild: © DOK Leipzig 2024 / Himmel wie Seide. Voller Orangen, Betina Kuntzsch